Wenn Lebensmittel krank machen: Wahrheit und Mythen

Iris Stimpfl, Diätologin in der Klinik Oberwart, in der Radio Burgenland Sprechstunde im Gespräch über Wahrheit und Mythen rund um Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien.

Wie schwierig ist es, zu einer Diagnose zu kommen? Diätologin Iris Stimpfl von der Klinik Oberwart bringt diesbezüglich Klarheit in dieses Thema: „Patienten irren tatsächlich oft sehr lange herum, bis sie eine eindeutige Diagnose haben. Wenn Patienten Beschwerden bemerken, vor allem im Bauchbereich, denken sie in erster Linie an eine Lebensmittelallergie. Diese kommt allerdings relativ selten vor. Nur circa zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen haben eine tatsächliche Lebensmittelallergie. Viel häufiger kommt eine Lebensmittelunverträglichkeit vor.“

Was aber ist der Unterschied zwischen einer Allergie und einer Unverträglichkeit? „Bei einer Allergie ist immer das Immunsystem betroffen. Vereinfacht gesagt, bei einer Allergie handelt es sich um eine überschießende Reaktion des Immunsystems. Man isst ein bestimmtes Lebensmittel. Der Körper erkennt einen Teil dieses Lebensmittels als fremd an und möchte durch die Reaktion des Immunsystems, diesen Fremdkörper wieder aus dem Körper entfernen. Deshalb kommt es dann zu den bekannten Symptomen. Bei einer Lebensmittelunverträglichkeit geht es – vereinfacht gesagt – meist um eine Verdauungsstörung, weil man bestimmte Stoffe aus der Nahrung nicht richtig verdauen bzw. aufnehmen kann“, erklärt die Expertin.

Autoimmunerkrankung Zöliakie

Die häufigsten Unverträglichkeiten gibt es gegen Fruktose, Laktose und Gluten, die sogenannte Zöliakie hingegen, ist eine ernstzunehmende Krankheit. Bei der Zöliakie handelt es sich im Grunde genommen auch um eine Weizenunverträglichkeit, eine sogenannte glutensensitive Enteropathie. Sie ist jedoch nicht mit den umgangssprachlichen Unverträglichkeiten gleichzusetzen. Hierbei handelt es sich nämlich um eine echte Dünndarmerkrankung. Sie gehört zur Gattung der Autoimmunerkrankungen. „Bei der Zöliakie geht es wirklich darum, dass man ein Leben lang strikt alle glutenhältigen Lebensmittel vermeiden soll. Wenn man nämlich Gluten zuführt – das ist das Klebereiweiß im Getreide – dann kommt es zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut und in weiterer Folge bildet sich diese sogar zurück. Die Folgen sind bekannt. Sehr häufig kommt es zu Mangelerscheinungen oder Verdauungsbeschwerden. Kinder bekommen als auffallendes Symtom etwa einen großen Blähbauch. Bei einer unentdeckten oder nicht richtig behandelten Zöliakie können schwerwiegende Folgen bis hin zu Krebs entstehen“, warnt Iris Stimpfl.

Was ist bei Zöliakie in der Lebensführung zu beachten? „Für Zöliakie-Betroffene ist es wirklich sehr wichtig, dass diese glutenfreie Ernährung strikt umgesetzt wird. Gehen Zöliakie-Betroffene in ein Restaurant, müssen sich diese wirklich darauf verlassen können, dass kein Bröserl Mehl in der Speise enthalten ist. Die Toleranzgrenze ist nämlich wirklich extrem niedrig“, erklärt die Diätologin. Bereits zehn Brotbrösel würden bei der nächsten Kontrolle im Blut nachweisbar sein und können langfristig zu schlimmen Symptomen und Folgeerkrankungen (Krebs.. hab ich entfernt) führen. Mit einer strikt eingehaltenen glutenfreien Ernährung seien diese Folgen praktisch ausgeschaltet.

Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität

Nicht alle Menschen, die Gluten nicht vertragen, reagieren auf alle Getreidearten gleich. Man unterscheidet zwischen jenen, die überhaupt kein Gluten vertragen – egal von welchem Getreide – und jenen, die vor allem auf Weizen reagieren. „Bei dieser Weizenunverträglichkeit meinen die meisten diese „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität“, so lautet der Fachausdruck. Dabei muss man nicht komplett auf Weizen oder Gluten verzichten. Wichtig ist, dass man unter fachkundiger ernährungstherapeutischer Anleitung die individuelle Toleranzgrenze herausfindet. Man sollte am besten anhand eines Ernährungs- und Symptomtagebuches herausfinden, wie viel ich wirklich vertrage“, betont Stimpfl.

Die Lebensmittelindustrie bietet heutzutage eine Vielzahl an alternativen glutenfreien Produkten. „Viele Menschen greifen auf diese gluten- oder auch laktosefreien Lebensmittel zurück, weil sie glauben, dass sie gesünder sind“, warnt die Ernährungsexpertin. Dies sei jedoch ein Mythos und keinesfalls empfehlenswert. „Es birgt die Gefahr, dass man sich sehr einseitig ernährt und dass man wichtige Nährstoffe nicht zuführt. Andererseits ist es so, dass die Diagnostik erschwert wird, wenn man bei Verdacht auf Zöliakie auf eigene Faust eine glutenfreie Ernährung umsetzt.“ Wichtig zu wissen: Bei einer Intoleranz, etwa der Laktoseintoleranz, ist zu wenig von jenem Enzym, das gebraucht wird, um diesen Milchzucker abzubauen, im Körper vorhanden. Werden also von Haus aus laktosefreie Produkte verwendet, wird auch weniger von diesem Enzym produziert. „Der Körper gewöhnt es sich sozusagen ab, das Enzym Laktase zu produzieren und in der Folge verträgt man auch weniger Laktose.“

Bei der Fruktoseunverträglichkeit ist der Mechanismus ein wenig anders. „Da geht es nicht unbedingt um das Enzym, sondern darum, dass ich die Fruktose nicht richtig ins Blut aufnehmen kann. Es fehlt sozusagen der Transportweg vom Darm ins Blut und deshalb bleibt diese Fruktose, also Fruchtzucker im Darm und verursacht in weitere Folge, vor allem im Dickdarm die bekannten Beschwerden, die sich durch Bauchweh und Durchfall, Übelkeit und Unwohlsein bemerkbar machen“, erklärt Iris Stimpfl.

Unverträglichkeiten und Allergien: Anzeichen und Auslöser

„Sind die Symptome rein auf den Gastrointestinaltrakt beschränkt - also wenn ich hauptsächlich Bauchbeschwerden habe - kann ich wahrscheinlich eher davon ausgehen, dass es eine Unverträglichkeit ist“, weiß die Ernährungsexpertin aus Erfahrung. Kommen jedoch weitere Symptome hinzu, beispielsweise Juckreiz im Mund, in den Handflächen oder am ganzen Körper, Anschwellen der Lippen oder der Zunge oder plötzlich auftretender Ausschlag am ganzen Körper, dann sei das eher ein Hinweis auf eine wirkliche Lebensmittelallergie. Diese gehöre eindeutig abgeklärt.

„Für die richtige immunvermittelten Nahrungsmittelallergien sind die häufigsten Auslöser im Kindesalter Kuhmilch und Hühnereiweiß. Die meisten echten Nahrungsmittelallergien werden auch wirklich im frühen Kindesalter diagnostiziert. Oft kommt es zum Glück zu einer Spontanheilung in den ersten vier bis sechs Lebensjahren“, so Stimpfl. Weitere Auslöser – auch im Erwachsenenalter – sind Nüsse, Fisch, Krustentiere, aber auch Soja, Sellerie und diverse Früchte.

Detektivische Aufgabe

„Vor allem bei Unverträglichkeiten ist es wirklich wichtig, dass man sich mit einer ernährungstherapeutischen Fachkraft, sprich Diätologin, zusammensetzt, um eine genaue Ernährungsanamnese zu erheben“, betont die Ernährungsfachkraft der Klinik Oberwart. In einem Ernährungs- und Beschwerdeprotokoll wird dabei ein paar Tage ganz genau aufgeschrieben, wann man was isst und zu welchen Beschwerden es kommt. Nachsatz: „So kann man gut herausfinden, welche Nahrungsmittel Probleme machen.“

Wird eine Nahrungsmittelallergie vermutet, sollte dies in einem Allergiezentrum oder bei einem Internisten oder einer Internistin abgeklärt werden. Abzulehnen seien alternativdiagnostische Methoden wie Bioresonanz, Haaranalysen oder die Kinesiologie, rät die Expertin. Hier würden wissenschaftliche Beweise fehlen, um eine Lebensmittelallergie oder -unverträglichkeit ganz eindeutig diagnostizieren zu können. Ebenso abzulehnen seien Bluttests, bei denen eine IgG-Bestimmung erfolgt. Hierbei käme es oft zu einer irreführenden Diagnostik und in der Folge zu einseitigen Diäten, die zu einer Abnahme der Lebensqualität und einer Einschränkung im sozialen Leben führen, weil sehr viele Lebensmittel weggelassen werden müssen. Anhand eines Beschwerdeprotokolls indes, fände man oft auf eigene Faust, welche Dinge Probleme machen und welche nicht und man kann so Rückschlüsse ziehen. „Die eigenen Beobachtungen unbedingt mit einer Fachfrau oder einem Fachmann abklären, damit es auf lange Sicht zu einer ausgewogenen Versorgung kommt“, so die eindringliche Bitte der Expertin.

Histaminunverträglichkeit

Was hat es mit der Histaminunverträglichkeit auf sich? „Auch diese ist sehr weit verbreitet. Dabei handelt es sich immer um ein Missverhältnis zwischen dem Histamin und dem zuständigen Enzym, das dieses Histamin abbaut. In unserem Körper wird Histamin hauptsächlich durch die Diaminoxidase abgebaut. Wenn zu viel Histamin und zu wenig dieses Enzyms im Körper vorhanden ist, dann kommt es zum Überschuss des Histamins und das bewirkt eine pseudoallergische Reaktion,“ klärt Stimpfl auf. Mögliche Folgen: ein Flush im Gesicht, verschlossene Nasen oder tränende Augen.