Schnupfen, Ohrenschmerz und Co.: Wann ärztlicher Rat nötig ist

Oberärztin Dr. Sabine Reinisch von der Klinik Oberwart
Oberärztin Dr. Sabine Reinisch vom Fachschwerpunkt HNO in der Klinik Oberwart in der Radio Burgenland Sprechstunde im Gespräch mit ORF-Moderatorin Nicole Aigner zum Thema HNO-Infekte.

In der kalten Jahreszeit kommen Infekte im Bereich der oberen Atemwege sowie der Ohren verstärkt vor. Nase und Mund sind die häufigsten Eintrittspforten für Viren. „Derzeit häufen sich Infekte im Bereich der Nase, Nasennebenhöhlenentzündungen, Entzündungen des Rachens, Mandelentzündungen, aber auch Entzündungen des Ohres“, schildert Oberärztin Dr. Sabine Reinisch vom Fachschwerpunkt HNO in der Klinik Oberwart. Vor allem Kinder sind besonders anfällig und leiden unter wiederkehrenden Infektionen. Warum das so ist? „Aufgrund der unterschiedlichen anatomischen Strukturen – bei Kindern ist alles viel kleiner, die Relationen sind andere – kommt es immer wieder zu aufsteigenden Infekten über die sogenannte Tuba ins Ohr“, so die HNO-Spezialistin. Im Kindesalter seien es durchschnittlich etwa sechs bis acht Infekte pro Jahr. Vermehrt kommt es in jenem Zeitraum, in dem Kinder den Kindergarten besuchen, zu Infekten, eine Art Training für das Immunsystem.

Auch Eltern von kleinen Kindern sind deshalb selbst wieder verstärkt von Infekten betroffen. „In den Wintermonaten sind zwei bis vier Infekte ganz normal. Wenn Kinder, diese aus dem Kindergarten oder der Volksschule mit nach Hause bringen, stecken sie natürlich ihre Eltern an“, betont OÄ Dr. Reinisch. Gut zu wissen: An glatten Oberflächen, wie Tischen, aber auch an Taschentüchern, können Keime mindestens zwei Stunden überleben. Regelmäßiges Händewaschen wird empfohlen und – in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr – auch das Tragen eines Nasen-Mund-Schutzes. Denn: Je länger und enger der Kontakt ist, desto mehr Viren können übertragen werden und desto eher kommt es zu einer Infektion.

Spannend zu wissen: „In Wirklichkeit gibt es keinen verlässlichen Hinweis darauf, dass Kälte und schlechtes Wetter für eine erhöhte Infektionsanfälligkeit maßgeblich sind“, verrät die Medizinerin. Viel schwerer wiege das meist herabgesetzte Immunsystem in der kalten Jahreszeit, in Folge von weniger Bewegung an der frischen Luft oder gesunkenem Vitamin D-Spiegel. Vitamin D beeinflusst die Immunität positiv.

Wann muss ich ärztliche Hilfe suchen?

„Bei harmlosen Infekten ist es zunächst legitim, sich mit sogenannten Hausmitteln, eventuell Schmerzmitteln oder entzündungshemmenden Mitteln aus der Apotheke, die nicht rezeptpflichtig sind, selbst zu behelfen“, betont die HNO-Expertin. Sollte ein Infekt jedoch länger als sieben bis zehn Tage anhalten oder sich eventuell sogar verschlechtern, das Fieber anhalten – bei Erwachsenen über 38,5, bei Kindern über 39 Grad Celsius – dann sollte ärztliche Rat – im ersten Schritt bei Hausärzt*innen, Kinderärztinnen oder niedergelassene Fachärzt*innen – gesucht werden.

Nicht immer ist die Einnahme von Antibiotika nötig. Denn: die meisten Infekte werden von Viren hervorgerufen. Hier hat eine Antibiotikatherapie keinen positiven Einfluss. „Von zahlreichen Untersuchungen wissen wir, dass der Krankheitsverlauf unter einer antibiotischen Therapie meist kein kürzerer, sondern unter Umständen sogar ein längerer ist“, warnt OÄ Dr. Sabine Reinisch. Zusätzlich werden so Resistenzen gezüchtet, das bedeutet, dass die Wirksamkeit der Antibiotika in Situationen, wo diese wirklich gebraucht würden, nicht mehr gegeben ist. Bakterien lernen nämlich durch Mutationen, also Änderungen ihres genetischen Profils, Antibiotika auszuweichen. Die Folge können multiple Resistenzen sein. Zudem entstehe ein enormer, nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

Fälschlicherweise wird bei gelblich-grünem Schleim häufig eine bakterielle Superinfektion vermutet. „Das ist meist nicht so. Oft handelt es sich dennoch um eine Virusinfektion. Aufgrund der Zellverfallsprodukte wird jedoch fälschlicherweise angenommen, dass eine eitrige Superinfektion vorliegt. Solange sich jedoch die Symptomatik nicht verschlechtert oder das Fieber anhält, ist eine antibiotische Therapie oder eine weitere Therapie nicht notwendig“, betont OA Dr. Dr. Sabine Reinisch.

Wichtige Rolle der Schleimhäute

In den Wintermonaten sind die Schleimhäute besonders gefordert, einerseits durch die viel trockenere Luft draußen, sowie aufgrund der trockenen Heizungsluft in den Innenräumen. Ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, aber auch regelmäßiges Lüften, am besten Stoßlüften, damit Keime verdünnt werden bzw. austreten können, sind besonders wichtig. „Zusätzlich ist darauf zu achten, dass wir unsere Mundflora – das orales Mikrobiom – gesund halten“, betont die HNO-Ärztin. Im Mundbereich existieren rund 800 bis 1.000 unterschiedliche Mikroorganismen. Diese schützen uns vor Erkrankungen und sorgen dafür, dass sich keine krankheitsmachenden Keime ansiedeln. Ernährung oder Medikamente haben auf die Mundflora einen wesentlichen Einfluss. Eine reiche Kost – genügend Eiweiß, Kohlehydrate, Gemüse, sowie ausreichend Vitamine – können die Mundflora positiv beeinflussen. Alkohol hingegen wirkt hier eher negativ. Was noch stärkend wirkt? „Sich aus Stresssituationen herausnehmen. Stress drosselt nämlich das Immunsystem. Zudem für ausreichende körperliche Betätigung, Schlaf, Vitaminzufuhr und Flüssigkeit sorgen. Ganz wesentlich, Rauch, auch passiven Rauch, meiden“, rät die Expertin.

Schwachstellen: von Sinusitis bis hin zu Otitiden

Jeder Mensch hat seine Schwachstellen, an denen vermehrt Infekte auftreten. Dazu zählt die Sinusitis, eine Entzündung der Schleimhäute im Bereich der Nasennebenhöhlen. Diese wird in erster Linie durch Viren verursacht. „Bei Kindern sehen wir vermehrt Otitiden, also Entzündungen des Ohres“, erklärt die Oberärztin. Und weiter: „Der Muskelschlauch, der im Nasenrachen endet, liegt flacher als bei Erwachsenen. Dadurch können Keime leichter ins Ohr aufsteigen und solche – für die Kinder wirklich lästigen – Entzündungen hervorrufen.“ Bevor es zu Entzündungen kommt, bilden sich auch häufig Flüssigkeitsspeicherungen im Mittelohr und verursachen Hörminderungen. Gerade im Alter zwischen zwei und fünf Jahren, wo die Sprachentwicklung ausgereift werden sollte, kann dies vermehrt Probleme schaffen. Viele Kinder benötigen dann weiterführende logopädische oder sprachheiltherapeutische Interventionen. Eine mögliche Schwachstelle ist die Tonsillitis, die Mandelentzündung. Hier kann es durch die Größe der Mandeln dazu kommen, dass manchmal sogar der Weg der Nahrungszufuhr verlegt wird. Auch enorme Schmerzen sind möglich. Hier kommt es auch zu Entzündungen, die mit einer antibiotischen Therapie abgedeckt werden müssen.

Die Wirkung von Impfungen

Kinder, aber auch Erwachsene, die eine Grunderkrankung der Lunge aufweisen, sollten sich auf jeden Fall gegen Pneumokokken impfen lassen, rät die Expertin. Hier sprechen Lungenfachärzt*innen oder Kinderfachärzt*innen klare Empfehlungen aus. Auch für Patient*innen, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, ist eine Impfung gegen Pneumokokken ratsam.

Die große Hoffnung: Sobald die Sonne herauskommt, das neblige und düstere Wetter vorbei ist und wir wieder mit Freude an die frische Luft gehen, sollten auch die Infektionen wieder sprunghaft abnehmen.

Der Podcast können Sie hier nachhören.