Durchfall, Blut im Stuhl, Bauchschmerzen, unerklärlicher Gewichtsverlust – all das können Symptome einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung sein, z.B. Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Diese sind oft schwierig zu diagnostizieren. „Diese Krankheitsbilder können in der alltäglichen Praxis leicht übersehen werden“, weiß Dr. Gerald Eckhardt, erster Oberarzt der Abteilung für Innere Medizin in der Klinik Oberpullendorf. „Wir sprechen hier von Patienten mit Bauchschmerzen, Durchfällen, eventuell auch Gewichtsverlust und Fieberschüben mit unklarer Ursache“, so der Arzt weiter.
In Österreich sind etwa 80.000 Menschen von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen betroffen. Das Alter der Diagnose liegt zwischen 18 und 45 Jahren. „Wir haben es also auch oft mit sehr jungen Patienten zu tun. Da es doch ein schambehaftetes Thema ist, fällt der Weg zum Hausarzt oft schwer und der Weg bis zur Diagnose ist oft sehr lang, wenn man nicht die Aufmerksamkeit für diese Erkrankungen hat.“
Schwierige Diagnosestellung
Es gibt kein einziges Mittel, dass alleinig beweisend für eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung ist. Die Diagnosestellung erfolgt durch die Kombination von Anamnese, also der Krankengeschichte, mit Blut- und Stuhlbefunden. Das wesentlichste Werkzeug ist die Endoskopie. „Im Screening kann man mit Stuhltests gut zwischen funktionellen und tatsächlichen entzündlichen Darmerkrankungen unterscheiden“, klärt der Oberarzt auf. Der Calprotectin-Wert ist ein Wert, den man im Stuhl messen kann. Es handelt sich dabei um ein Abbauprodukt der weißen Blutkörperchen. „Ist dieser Wert erhöht, spricht es für eine Entzündung im Darm. Beim Reizdarmsyndrom hingegen ist eine funktionelle Störung da. Gewisse Warnsignale, wie Blut im Stuhl, Gewichtsverlust oder erhöhte Entzündungszeichen, sollten auf jeden Fall mit einer Darmspiegelung recht bald abgeklärt werden“, betont Dr. Gerald Eckhardt.
Der Weg für die Betroffenen ist oft sehr belastend und lang. Der OA sieht es deshalb als seine Aufgabe, darauf aufmerksam zu machen, dass in der hausärztlichen Praxis rasch an die Möglichkeit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung gedacht wird und auch rasch eine Überweisung zum Gastroenterologen erfolgen sollte.
Welche Rolle spielt die Darmspiegelung bei der Diagnose?
„Ohne die Kolonoskopie ist die Diagnose gar nicht möglich. Mit ihrer Hilfe kann man unterscheiden, um welche Art von chronisch-entzündlicher Erkrankung es sich handelt, ob es ein Morbus Crohn ist, wo verschiedene Darmabschnitte betroffen sein können und dazwischen der Darm gesund ist oder um eine Colitis Ulcerosa, wo meist ausschließlich der Dickdarm betroffen ist und das am stärksten im Bereich vom Enddarm“, erklärt der Gastroenterologe. Je nach Ausprägung könne auch der gesamte Dickdarm betroffen sein. Morbus Crohn könne zwischen Anus und Zungenbändchen jeden Darmabschnitt befallen. „Da reicht nicht nur die Kolonoskopie. Bei diesem Verdacht muss man auch eine Gastroskopie machen und die fünf Meter Dünndarm, die dazwischen liegen, untersuchen“, gibt der Arzt zu Bedenken. Dazu eignet sich am besten eine Magnetresonanztomografie, im Rahmen welcher ein gutes Gesamtbild geschaffen und sichtbar wird, wo und wie massiv die Entzündung ausgeprägt ist.
Große Fortschritte in der Behandlung
Die Therapie von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen hat sich deutlich verbessert, etwa durch Einsatz sogenannter Biologika. Biologika sind biotechnologisch hergestellte Moleküle, die als Antikörper funktionieren. „Das heißt, Antikörper schießen jene Botenstoffe, die für diese überschießende Entzündungsreaktion verantwortlich sind, gezielt ab, indem sie die Andockstellen an den Entzündungszellen blockieren und dadurch die Entzündungszellen nicht aktiviert werden können“, führt der Oberarzt aus. Man könne aber auch direkt die Einwanderung von weißen Blutkörperchen in die Darmschleimhaut durch solche Antikörper blockieren. Das seien große Moleküle, die in der Praxis mittels Spritzen oder Infusionen verabreicht werden müssen. „Der neueste Therapieansatz ist, dass man sogenannte Small Molecules (Anmerkung: niedermolekulare Verbindungen) anwendet. Januskinase-Inhibitoren, die wir aus der Rheumatologie kennen, haben sich als hocheffektiv bewiesen, sowohl in der Behandlung von Colitis Ulcerosa als auch bei Morbus Crohn. Sie haben den großen Vorteil, dass man sie schlucken kann und keine Spritzen benötigt“, so der Arzt im Detail.
Je früher die Diagnose, desto besser die Prognosen
Wird die Diagnose früh gestellt, kann die Entzündung teilweise bis unter die Nachweisgrenze zum Abklingen gebracht werden. Eine Heilung in dem Sinne, dass man ein Medikament ein paar Tage einnimmt und dann nie wieder Morbus Crohn oder Colitis hat, gäbe es aber nicht. Meist sei es so, dass diese Medikamente so lange gut wirken, so lange sie auch verabreicht werden. „Setzt man sie ab, kommt es in der Regel recht rasch zu einem Aufflammen. Außerdem besteht die Gefahr, dass ein Biologikum nach einer gewissen Zeit nicht mehr wirkt und man dann einen anderen Wirkstoff verwenden muss. Manchmal kommt es vor, vor allem ab einem bestimmten Alter, dass diese chronisch-entzündliche Darmerkrankung von sich aus zum Stillstand kommt, sodass man die Therapie dann möglicherweise auch absetzen kann, wenn längere Zeit keine Entzündung mehr nachweisbar war“, schildert OA Dr. Gerald Eckhardt.
Wann ist eine Operation notwendig?
Nicht immer muss bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung operiert werden. „Es gibt Fälle, wo eine Operation unumgänglich ist. Das ist bei Morbus Crohn der Fall, wenn sich die Entzündung durch die Darmwand durchgewühlt hat und dadurch Eiterhöhlen entstehen. Oder wenn sich Fisteln bilden. Fisteln sind Hohlräume, die vom Darm aus in ein anderes Organ, zum Beispiel in die Haut, hineinwuchern. Das sind Patienten, die ihren Stuhl durch andere Körperöffnungen verlieren können“, gibt der Experte genaue Einblicke. Ganz dramatisch könne das bei Frauen sein, wenn ein Kurzschluss vom Darm zur Vagina entsteht oder wenn Kurzschlüsse vom Darm direkt in die Harnblase entstehen und Stuhl durch die Blase abgeht. Das seien Indikationen, wo eine Operation absolut notwendig ist. Manchmal würden bei Morbus Crohn – bedingt durch die Entzündung – so massive Engstellen entstehen, dass es zum Darmverschluss kommen kann. Auch dann sei es unumgänglich, dass man den Darm an entsprechender Stelle operativ wieder in Ordnung bringt.
Depressive Störungen als Begleiterscheinung
Depressive Störungen treten bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen drei Mal häufiger auf. 20 Prozent der Patienten leiden unter Depressionen, im Schub sogar bis zu 50 Prozent. 30 Prozent der Patienten haben Angststörungen. Ein wesentlicher Faktor dabei ist Stress. Psychischer Stress verstärkt Durchfälle und Bauchschmerzen. „Diesbezüglich ist eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung eine sehr gute Begleitmaßnahme“, rät der Arzt. Mit Hilfe von Gesprächstherapie, Erlernen von Entspannungstechniken und Hypnose – es gibt sogar eine Bauchhypnose – stünden hervorragende unterstützende Maßnahmen zur Verfügung. Was das Essen anbelangt, so gäbe es leider keine spezielle Diät, die die Krankheit komplett abheilen lässt. Man könne aber sehr wohl durch ein gewisses Ernährungsverhalten gut unterstützend auf die Erkrankung einwirken. Das Wichtigste: Patienten mit Morbus Crohn sollen absolut nicht rauchen. „Wir wissen, dass die Entzündung bei Rauchern deutlich schlechter ist. Ansonsten ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, wie sie für alle anderen Menschen auch empfohlen wird. Frisches Gemüse, frische Kost, nicht industriell verarbeitete Nahrungsmittel“, empfiehlt der Oberarzt. Im Schub könne es notwendig sein, besonders eiweißreiche Kost aufzunehmen, da Eiweiß leicht durch den Darm verloren geht. „Wichtig ist auch, ausreichend Vitamin B, Vitamin D sowie Mineralstoffe, wie Calzium und Kalium zu sich zu nehmen, damit einem chronischen Mangel vorgebeugt wird.“
Ganzheitliche Betrachtung
In Österreich gibt es die Selbsthilfe-Gruppe „Österreichische Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung“ mit Zweigstellen in jedem Bundesland, die regionale Treffen und verschiedene Fortbildungen anbieten. „Es ist sehr wichtig, den ganzheitlichen Aspekt zu sehen. Als Gastroenterologe neigt man natürlich dazu, sich auf die entzündliche Aktivität, die man im Endoskop sieht, zu stürzen und diese möglichst gut medikamentös zu behandeln, damit die Entzündungen und Geschwüre verschwinden“, gibt Dr. Gerald Eckhardt einen wichtigen Einblick. Für die Patientinnen und Patienten stünden aber oft andere Sachen im Vordergrund. Eine gering erscheinende Entzündung unmittelbar im Enddarm bringe beispielsweise äußerst unangenehmen Stuhldrang mit sich, was dazu führt, dass sich Patientinnen und Patienten „kaum aus dem Haus gehen trauen, weil sie nicht wissen, wo sie die nächste Toilette finden“. Ausgeprägte Schamgefühle und oft auch eine Depression seien Begleiterscheinungen. Viele Patientinnen und Patienten würden ihre Erkrankung am Arbeitsplatz verschweigen. Bei der Behandlung solcher Patientinnen und Patienten sei es besonders wichtig, diese Ängste und Sorgen mitzudenken.
Darmspiegelungen zur Krebsvorsorge
Die Krebsvorsorge ist ein wichtiger Punkt. Auch wenn Patientinnen und Patienten weitgehend beschwerdefrei sind, ist es wichtig, eine Krebsvorsorge zu machen, indem man sich den Dickdarm in regelmäßigem Abstand anschaut, mehrere Proben entnimmt und speziell auffallende Stellen gezielt biopsiert, um eventuelle Krebsvorstufen rechtzeitig zu erkennen. Diese können entweder endoskopisch oder operativ entfernt werden, bevor es zu einem fortgeschrittenen Krebsstadium kommt, das nicht mehr heilbar wäre.
Es gibt mehrere Faktoren, die eine Indikation für eine Koloskopie darstellen. Wurde ein Patient operiert, so muss man ein paar Monate danach nachschauen, ob an der Operationsstelle wieder eine Entzündung aufflammt. „Manchmal müssen wir auch koloskopieren, wenn die Befunde nicht zusammenpassen, etwa wenn es dem Patienten gut geht, aber die Blut- und Stuhlwerte für eine ausgeprägte Entzündung sprechen. Was die Vorsorgekolonoskopie bezüglich des Krebsrisikos anbelangt, muss man es vom endoskopischen Befund abhängig machen, ob Untersuchungen jährlich, alles zwei oder drei Jahre gemacht werden sollen – je nachdem wie viele unklare Läsionen im Endoskop zu sehen sind. „Die Vorsorge muss individuell auf den Patienten abgestimmt werden“, betont der Arzt.
Der Experte beruhigt: „Man sollte vor der Darmspiegelung keine unnötigen Ängste haben. Es ist sicher viel wichtiger, dass man Krebsvorstufen rechtzeitig erkennt, als dass man Angst haben müsste, dass durch diese Darmspiegelung ein Einriss vom Darm stattfindet – das ist zum Glück eine Seltenheit.“
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